Von unserer Redaktion – Göppingen. Nach Anschlägen rechter Extremisten auf örtliche Politiker und einen Journalisten sammelten sich Antifaschisten aus der Umgebung am Samstag, 3. Dezember, in Göppingen zu einer Kundgebung. Die Stadt war in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz rechter Aktivitäten. Nur ein einzelner Stadtrat zeigte bei der Kundgebung Flagge gegen Rechts. Das SWR-Fernsehen berichtet in seiner Sendung „Zur Sache Baden-Württemberg“ am Donnerstag, 8. Dezember, über die Vorfälle in Göppingen (Beginn: 20.15 Uhr).
Video: SWR Fernsehen
70 AntifaschistInnen zeigten sich kurz nach 11 Uhr im Bereich des Partnerschaftsbrunnens in der Marktstraße. Sie legten an einem Stand Infomaterial aus und sprachen Passanten an, um gezielt über die rechten Übergriffe aufzuklären. Akteure des „Dritten Wegs“ werden verdächtigt, die Anschläge begangen zu haben. Zusätzlich gab es mehrere Redebeiträge.
Christian Stähle, Stadtrat der Linken, besuchte als einziger Vertreter der Stadt die Aktivisten und zeigte sich solidarisch mit den Betroffenen der Anschläge. Der Kreisvorsitzende der Linken Thomas Edtmaier, einer der Geschädigten, bedankte sich bei den Nazi-GegnerInnen für die solidarische Unterstützung. Vertreter der Ulmer Linken zeigten ebenfalls Flagge.
- Stadtrat Christian Stähle, DIE LINKE Göppingen
- Thomas Edtmaier, Kreisvorsitzender DIE LINKE Göppingen & Geislingen
Stirnrunzelnd bemerkten einige Aktivisten, dass Anhänger der MLPD zwar ebenfalls vor Ort waren, sich aber nicht an der Kundgebung beteiligten, sondern es vorzogen, Unterstützer-Unterschriften für die kommende Bundestagswahl zu sammeln.
Die führenden Köpfe der inzwischen verbotenen „Autonomen Nationalisten Göppingen“ (ANGP) organisierten sich nach ihrer Entlassung aus der Haft zuletzt in der rechtsextremistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“. In den vergangenen Monaten gab es mehrere Infostände, Kundgebungen und Flyeraktionen deren Anhänger in und um Göppingen. Ihr klares Ziel: menschenverachtende Hetze zu verbreiten. Göppingens Straßen wurden in regelmäßigen Abständen mit Sticker und Plakaten mit der Aufschrift „Asylflut stoppen“, „NS-Jetzt“ verunstaltet.
Die Rathaus-Oberen gingen nicht aktiv und konsequent genug gegen solche Aktionen vor, sagen Betroffene. Damit werde den Akteuren des „Dritten Wegs“ der rote Teppich für weitere menschenverachtende Propaganda ausgelegt. Was folgt sei noch nicht absehbar. Oberbürgermeister Guido Till verfolgt auch nach den Anschlägen weiterhin die Linie, das Neonazi-Problem in Göppingen eher kleinzureden. Das ist für die Betroffenen nicht nachvollziehbar. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung nannte Till die Strategie der Stadt „Göppinger Modell“. Es bestehe aus einer engen Kooperation mit der Polizei, der konsequenten Verfolgung von Straftaten und vielen Veranstaltungen zur Prävention.
- Andreas Scheffel, Internationaler Foto- und Videojournalist & Mitglied des Redaktionsteams der Beobachter News
Es ist zu erwarten, dass Akteure des „Dritten Wegs“ weiterhin in Göppingen aktiv bleiben. Das Stadtoberhaupt müsse seinen Weg neu ausrichten, fordern die Betroffenen. „Die Anschläge haben rein gar nichts mit interkulturellen Maßstäben noch mit der Weltoffenheit der Stadt zu tun, von der Till gerne spricht. Es sind einfach nur rechte Terroranschläge“, sagt der international und auch für die Beobachter News tätige Foto- und Videojournalist Andreas Scheffel. Er erwartet vom Oberbürgermeister zu handeln, sich etwa bei Aktionen zu zeigen und Position zu beziehen. Prävention allein genüge nicht. Der Personenkreis gewaltbereiter Rechter müsse entsprechend eingestuft und aktiv gestoppt werden.
Nach der Kundgebung zogen die AntifaschistInnen geschlossen zur Jugendarrestanstalt Göppingen in der Nähe des Amtsgerichts. Dort sitzt seit einigen Tagen ein Aktivist wegen seines antifaschistischen Engagements ein. Mit lauten Parolen zeigten die Aktivisten ihre Verbundenheit, skandierten „Freiheit für alle politischen Gefangenen“. Daraufhin zogen die Antifaschisten Richtung Bahnhof zurück und entfernten dabei weitere Sticker der rechten Kleinstpartei.
Sie planen weitere Aktionen. So soll es am 14. Januar 2017 eine Kundgebung, am 19. Januar 2017 eine Infoveranstaltung und am 4. Februar 2017 eine Kundgebungstour in Göppingen und der Region geben.
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Fremdenfeindliche Graffitis wurden auch in Jebenhausen, Faurndau und Uhingen gesichtet.
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