Kommentar von Anne Hilger – Karlsruhe. Die Polizei feierte ihren Einsatz beim „Tag der deutschen Zukunft“ am Samstag, 3. Juni, in Karlsruhe als Erfolg. Mit einem „hohem personellen Aufgebot“ und „in jeder Hinsicht konsequentem Einschreiten“ habe man ein Aufeinandertreffen der gegensätzlichen Lager verhindert, so die Bilanz des Karlsruher Polizeipräsidenten Günther Freisleben gegenüber der Presse.
Getrübt werde dieses Fazit „durch die Folgen mehrerer kurzfristiger Straßenblockaden, wiederholter Versuche autonomer Gruppen, die Polizeisperren zu überrennen sowie einer ganzen Reihe verübter Straftaten.“ Vier Polizeibeamte seien durch Übergriffe leicht verletzt worden, ohne jedoch dienstunfähig zu sein. „Offenbar erlitt auch eine geringe Zahl von Gegendemonstranten Blessuren“, heißt es in der Pressemitteilung der Polizei.
Merkwürdig nur, dass die Demosanitätsgruppe Süd-West nicht nur eine geringe Zahl, sondern etwa 100 verletzte GegendemonstrantInnen behandeln musste – Opfer von Pfefferspray-Attacken, massivem Schlagstockeinsatz auch auf Kopf und Nacken, Tritten und Fausthieben der Polizei. Pferde und Hunde wurden eingesetzt. Mancher Demonstrant bekam eine Reitgerte übergezogen oder einen Polizeihandschuh ins Gesicht gepresst. Die Beamten zeigten sich nicht zimperlich. Wer getroffen wurde, dürfte den Polizeieinsatz bestimmt nicht als maßvoll in Erinnerung behalten.
Das gilt auch für die vielen Pressevertreter, die sich bei ihrer Arbeit behindert fühlten. Sie wurden von der Polizei immer wider hingehalten und ausgesperrt, meistens ohne nachvollziehbaren Grund. Kurios wurde es, als nur zwanzig ausgewählte Journalisten den Demozug der Neonazis dokumentieren durften. Offenbar sah sich die Polizei mit 3000 eingesetzten Beamten, trotz Räumpanzer und Wasserwerfer, trotz Unterstützung aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Niedersachsen und Bayern wie auch von der Bundespolizei nicht in der Lage, in der Nähe von knapp 300 Neonazis die Sicherheit weiterer Medienvertreter zu garantieren. Mit Pressefreiheit hat das nichts zu tun.
Meist blieb unklar, weshalb die Polizei eine Spontandemo an diesem oder jenem Punkt stoppte und oft selbst Presseleute nicht weitergehen ließ. „Wegen Straftaten wie Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Verstößen gegen das Vermummungsverbot und eines Landfriedensbruchs“ wurden nach Polizeiangaben 19 Personen, davon drei des rechten Spektrums, festgenommen. Am Abend waren nach Angaben der Polizei alle wieder auf freiem Fuß. „Die meiste Arbeit hatten die Beamten mit rund 700 dem linksautonomen Spektrum zuzurechnenden gewaltbereiten Demonstranten“, heißt es dazu im Bericht der Polizei. Die scheinen so etwas wie Freiwild zu sein. Zu sehen waren nämlich vor allem extrem gewaltbereite Polizisten.
Der „Tag der deutschen Zukunft“ verdient ein gemischtes Fazit. Bemerkenswert ist, dass eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Organisationen zu einem gemeinsamen Aktionsbündnis zusammenfanden. Es kann sich als Erfolg zuschreiben, dass mit höchstens 300 Neonazis weit weniger nach Karlsruhe kamen, als zu erwarten und zu befürchten war. Doch die vielen Festnahmen und Verletzten, das überzogen harte Vorgehen der Polizei werden ebenfalls in Erinnerung bleiben.
Siehe auch unseren Liveticker vom „Tag der deutschen Zukunft“ am 3. Juni in Karlsruhe.
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