Von unseren ReporterInnen – Stuttgart-Feuerbach. Der Feuerbacher Wilhelm-Geiger-Platz glich am Samstag, 12. Mai, einem Hochsicherheitsbereich. Mehrere hundert Polizeibeamte aus mindestens vier Bundesländern wurden für diesen Tag abgestellt, um eine Kundgebung der Stuttgarter Jungen Alternativen (JA) hermetisch abzuschirmen. Unter dem Motto: „Keine Straße der AfD! Gemeinsam gegen die AfD-Demo“ hatte das Aktionsbündnis „Stuttgart gegen Rechts“ zum Protest aufgerufen. Rund 450 DemonstrantInnen protestierten gegen die AfD. Die Kundgebung des rechten Lagers blieb gänzlich ohne Außenwirkung.
Schon im Vorfeld hatte es ein Hin und Her der Parteiverantwortlichen der AfD und ihrer Jugendorganisation JA gegeben. Es ging um die Hoheit über die Kundgebung und den Versammlungsort. Die Stadt Stuttgart hatte versucht, die Veranstaltung der öffentlichen Sicherheit wegen nach Zuffenhausen zu verlegen. Die Junge Alternative setzte jedoch per Eilantrag durch, dass die Demonstration in Feuerbach am Biberbrunnen stattfinden durfte.
Vermutlich war die Angst vor GegendemonstrantInnen ausschlaggebend dafür, dass die JA den Versammlungsort erst am Samstagvormittag via Facebook bekannt gab. Das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“, das frühzeitig zur Gegendemonstration mobilisiert hatte, verbuchte die Streitigkeiten unter den AfDlern als Teilerfolg seines konsequenten Handelns im Vorfeld.
AktivistInnen bringen Erfrischung
Dem Aufruf der AfD zur Kundgebung gegen den geplanten Bau einer Moschee des DITIB-Vereins folgten rund 120 SympathisantInnen. Die Versammlung begann wegen mehrerer Gegendemonstrationen in den Zugangsstraßen mit Verspätung. Sie wurde von Reimond Hoffmann von der JA eröffnet. „Wir lassen nicht zu, dass es in Ellwangen oder Feuerbach rechtsfreie Räume geben wird. Nächstes Mal bringen wir Schuhcreme mit, dann fragt uns auch keiner nach dem Versammlungsrecht“, erklärte er.
Bevor Hoffmann seine Entgleisungen fortsetzen konnte, gelang es zwei Aktivisten vor dem Brunnen, zu dem Redner vorzudringen. Sie besprenkelten ihn mit Wasser aus Flaschen. TeilnehmerInnen der rechten Kundgebung gingen daraufhin von hinten auf einen Aktivisten los und brachten ihn gewaltsam zu Boden. Während er festgehalten wurde, hielt ein AfD-Sympathisant über längere Zeit seine Hände über Nase und Mund des am Boden Liegenden. Zwei weiter Anhänger aus dem rechten Umfeld halfen, den Aktivisten am Boden zu fixieren. Nach geraumer Zeit wurde er Sicherheitspersonal übergeben, das die AfD eigens mitgebracht hatte, und zuletzt der Polizei.
Angriff auf Pressevertreter
Während der Auseinandersetzung vor dem Brunnen versuchten weitere TeilnehmerInnen der AfD-Kundgebung, Pressevertreter daran zu hindern, das Geschehen zu dokumentieren. Eine Frau mittleren Alters schlug untermittelt mit einem großen Plakat mehrfach auf die Kamera eines freien Fotografen ein, während er Aufnahmen machte. Er zog sich aus dem Umfeld der Angreiferin zurück.
Drei weitere rechtsgerichtete Angreifer versuchten zur selben Zeit, den Journalisten Andreas Scheffel, Redaktionsmitglied der Beobachter News, abzudrängen. Scheffel dokumentierte weiter das Geschehen mit seiner Kamera. Darauf schlug ein AfD-Anhänger dem Journalisten zunächst mit einem kurzen Hieb in die Bauchregion und anschließend die Kamera aus der Hand. Diese fiel zu Boden.
Hetze in gewohnter Manier
Christina Baum, baden-württembergische Landtagsabgeordnete der AfD, hatte in den letzten Monaten durch ihre aktive Rolle bei Demonstrationen des rechten Lagers im rheinland-pfälzischen Kandel für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie warnte in Feuerbach vor dem geplanten Moscheebau. Es stehe angeblich eine baldige Machtübernahme des Islam in Deutschland bevor. Baum bezeichnete Protestierende als ,,linke Nazikommunisten der Antifa“.
Ihr Parteikollege Thomas Seitz nannte den geplanten Bau der Moschee eine „Landnahme durch den Islam“ und schlug einen Bogen zu den Verbrechen von Adolf Eichmann, der für die Vertreibung, die Deportation und den Mord an Juden zentral mitverantwortlich war, in Israel verurteilt und erhängt wurde: „Stellen Sie sich vor, wir würden Adolf Eichmann Zentren errichten“.
Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete der Auftritt von Ralf Özkara, Landessprecher der AfD. Jeder Muslim solle in Deutschland seinen Glauben ausleben können, jedoch in den eigenen vier Wänden und nicht in einem „Moschee-Palast“ in Feuerbach, erklärte er. RednerInnen der AfD hetzten somit in gewohnter Manier gegen Andersgläubige und Menschen auf der Flucht.
- Reimond Hoffmann, JA BaWü
- Christina Baum, Landtagsabgeordnete der AfD BaWü
- Ralf Özkara, Landessprecher der AfD BaWü
Gegner erteilen AfD-Hetze klare Absage
So hatte es das Aktionsbündnis „Stuttgart gegen Rechts“ auch vorausgesagt. Mehrere seiner Redebeiträge stießen auf Interesse von PassantInnen, die aus kurzer Entfernung zuhörten und sich zum Teil dem Protest gegen die AfD anschlossen. Bis zu 450 TeilnehmerInnen wandten sich schließlich mit großen Bannern, Schildern, Pyrotechnik und Parolen gegen die AfD.
Polizei mit großem Aufgebot
Unser Redaktionsmitglied erstattete noch während der Kundgebung Strafanzeige. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf. Am Ende der Kundgebung der AfD umschlossen Beamte einen der Angreifer vor seiner Abreise und stellten seine Personalien fest.
Die weiteren AfD-Anhänger wurden in einer eigens beorderten Straßenbahn der SSB von der zuvor geschlossenen Haltestelle des Wilhelm-Geiger-Platzes aus weiterbefördert. Die Polizei hatte den Kundgebungsplatz der AfD mit mehreren hundert Beamten und zum Teil doppelreihigen Gittern gegen die Protestierenden abriegelt. Auch zwei Wasserwerfer in Bereitschaft, ein Hubschrauber, mehrere Berittene und eine Drohne waren im Einsatz.
Kontrollen und Festnahmen von TeilnehmerInnen
Die Polizei hatte mehrere GegendemonstrantInnen schon während ihrer Anreise zur Protestkundgebung gegen die AfD vorläufig umschlossen und durchsucht. Sie nahm zwei Menschen vorübergehend in Gewahrsam, weil sie Messer bei sich getragen haben sollen. Bei zwei weiteren TeilnehmerInnen entdeckten Beamte Pfefferspray. In einem der beiden Fälle handelte es sich um eine ältere Frau.
Zudem sollen mehrere Personen Vermummungsmaterial bei sich gehabt haben. Insgesamt erteilten die Einsatzkräfte elf Platzverweise für den Zeitraum der Veranstaltungen am Nachmittag.
Journalist bemängelt Pressemitteilung der Polizeibehörde
In der Pressemitteilung der Polizei Stuttgart über die Vorkommnisse wurde der Angriff auf Andreas Scheffel nicht erwähnt. Das begründete der zuständige Pressesprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart, Stefan Keilbach, auf Nachfrage so: In der abschließenden Besprechung des Einsatzes habe man beschlossen, den Angriff auf den Journalisten nicht in die Pressemitteilung der Polizei aufzunehmen, ihn jedoch auf Nachfrage zu bestätigen.
Das kritisiert Scheffel. Aus seiner Sicht müssten solche Vorkommnisse in den Pressemitteilungen der Polizei Platz finden – gerade in einer Zeit, in der sich Journalisten vermehrt Angriffen rechter Aktivisten ausgesetzt sehen. Er fordert von den Behörden mehr Sensibilität. Redaktionen und Medienanstalten verließen sich auf die Meldungen der Behörden. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, informiert zu sein, um sich eine Meinung bilden zu können. Zensur beginne, wenn die Öffentlichkeit nicht informiert wird, so Scheffel weiter.
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