Von Sahra Barkini – Stuttgart. Auf dem Stuttgarter Rotebühlplatz versammelten sich am Mittwoch, 4. September, rund 200 Menschen. Anlass waren die Ergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen in Bezug auf das Erstarken der rechten Parteien. Das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ organisierte diese Solidaritätskundgebung mit anschließender Demonstration zum Marienplatz. Die anwesenden TeilnehmerInnen wollten ihre Solidarität mit den AntifaschistInnen in Sachsen und Brandenburg ausdrücken und so zeigen, dass diese nicht alleine sind.
Redebeträge kamen von Janka Kluge von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Luigi Pantisano, Stadtrat (früher SÖS/LinkePlus, jetzt bei Die FrAKTION) und von einem Vertreter des AABS (Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region).
Polizei war übereifrig im Dienst
An einer vom AABS aufgestellten Installation nahm die Stuttgarter Polizei anstoß. Auf der Installation ist ein Foto von Bernd Höcke (AfD) mit ausgestrecktem Arm zu sehen. Laut Angaben der Polizisten vor Ort soll nun diese Installation der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt werden. Das Bündnis schrieb dazu auf Facebook:
„Die Ausplünderung der DDR, Sachsens Rechts-CDU, rassistische Pogrome und die Wahlerfolge der AfD. All das hängt zusammen. Mit einer Installation auf unserer gestrigen Kundgebung hat das Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region auf diese Zusammenhänge hingewiesen. Die Stuttgarter Polizei, die mit einer Hundertschaft und Kamerawagen unsere Kundgebung „bewachte“, lässt nun die Staatsanwaltschaft die Strafbarkeit der Installation prüfen – wegen eines Fotos von Höcke, für das er selbst illustrer Weise nicht verurteilt wurde.
Wir sehen den Vorstoß der Polizei gelassen, vielmehr fühlen wir uns an den 2007 gescheiterten Versuch der Stuttgarter Staatsanwaltschaft erinnert, das Verwenden eines durchgestrichenen Hakenkreuzes zu kriminalisieren. Bleibt die Erkenntnis: Nazis stoppen? Können wir nur selber machen!“
Zusammenhalten gegen den gemeinsamen Feind
Janka Kluge vom VVN-BdA ging bei ihrer Rede auf die Wahlergebnisse im Osten ein, wies aber auch darauf hin, dass dies nicht alleine ein ostdeutsches Phänomen sei. So habe die AfD in Baden-Württemberg 15 % erzielt. Desweiteren legte sie ein Augenmerk auf den hohen Anteil an JungwählerInnen, die in Brandenburg und Sachsen ihr Kreuz bei der AfD machten. Ein großes Problem sei die Schwäche der Antifaschistischen Bewegung und der Linken. Kluge berichtete, als sie Mitglied im VVN-BdA wurde, habe sie noch das Glück gehabt, alte AntifaschistInnen und überlebende der Konzentrationslager kennen lernen zu dürfen. Einer dieser Menschen sei Alfred Hausser gewesen. Dieser habe ihr in Gesprächen immer wieder gesagt, dass die nachfolgenden Generationen nicht die selben Fehler wie die Menschen zwischen 1931 und 1933 machen dürften. Sich gegenseitig bekämpfen sei der falsche Weg, man dürfe nicht die Kraft für den Kampf untereinander verschwenden, sondern müsse zusammenhalten gegen den gemeinsamen Feind.
Kluge erzählte weiter, die Stuttgarter Kommunistin und Antifaschistin Gretel Weber habe auf ihrem Sterbebett gesagt: „Hört nicht auf zu kämpfen“. Zum Abschluss ihrer Rede sagte Kluge: „Wenn uns die Freiheit, das Leben, die Liebe, die Menschen wichtig sind, egal wie sie aussehen, egal welche Hautfarbe, egal welcher Nation, egal welcher Religion, dann müssen wir die Freiheit verteidigen und das geht nur gemeinsam“.
Vom netten Onkel – oder besser gesagt vom netten Opa
Der zweite Redner war der Stadtrat Luigi Pantisano. Er setzte sich damit auseinander, was man gegen die AfD tun kann und ließ seine Erfahrungen als Stadtrat mit einfließen. In der letzten Wahlperiode wären er und seine StadtratskollegInnen nicht nur mit der AfD, sondern auch mit der Abspaltung BZS 23 (Bündnis Zukunft Stuttgart 23) konfrontiert gewesen. Bei der Gemeinderatswahl im vergangenen Mai schaffte die AfD mit 6% der Stimmen den Wiedereinzug ins Rathaus. Die Abspaltung des BZS23 (Heinrich Fiechtner und Bernd Klingler) von der AfD bezeichnete Pantisano als Lichtblick. Sie verpassten den Einzug ins Rathaus. Pantisano weiter: „In Stuttgart ist die AfD Fraktion einerseits auseinander gefallen, weil sie sich zerstritten hatten, aber auch weil wir uns ihnen konsequent auf der Strasse entgegen gestellt haben“.
Den Neu- und AltstadträtInnen gab Pantisano dann noch einige Tipps für den Umgang mit der AfD auf den Weg: „Wenn dich Stadträte der AfD nett anlächeln, darfst Du nie vergessen, dass hinter der Fassade vom netten Onkel – oder besser gesagt vom netten Opa – ein gefährlicher Rassist steckt. Das Problem ist, dass sie einen ziemlich oft anlächeln und versuchen Dich in Gespräche zu verwickeln, wenn Du ihnen nicht von Beginn an deutlich zeigst, was Du von Ihnen hältst, dann hören Sie nicht damit auf“. Ein weiterer Tipp war: „Verweigere Ihnen immer den Handschlag, denn sonst beißt der gefährliche Rassist Dir bei der erstbesten Gelegenheit in die Hand“. Und weiter führte Pantisano aus: „Mit den Stimmen der AfD darfst Du niemals Politik betreiben, sonst machst Du Dich mitschuldig an Ihrer rassistischen Politik“. Zum Abschluss seiner Rede sagte er: „Sei konsequent antifaschistisch und geh auf die Straße gegen die AfD. Wir haben keine Zeit mehr. Den Anfang abzuwehren haben wir schon verpasst. In Deutschland darf nie wieder geschehen, was die Welt vor 80 Jahren ins Verderben gestürzt hat“.
Wahlergebnisse zwar schockierend, aber nicht überraschend
Ein Vertreter des AABS erklärte warum die Wahlergebnisse aus Sachsen und Brandenburg zwar schockierend, aber nicht überraschend sei. Er sagte unter anderem: „Direkt betroffen sind wir hier in Stuttgart nicht von den Wahlergebnissen in Sachsen und Brandenburg, doch auch in Baden-Württemberg hat die AfD vor drei Jahren bei den Landtagswahlen bereits 15 % der Stimmen erhalten. Deshalb gilt: Ob 15 % oder mehr als 20 % für die AfD, jedes Prozent für eine rechte Partei ist eines zu viel. Wir müssen all das als Teil des gesellschaftlichen Rechtsrucks erkennen und bekämpfen. Ob in Ost oder West: Es gilt aufzuzeigen, dass die soziale Frage nicht mit rechten, rassistischen Antworten lösbar ist, denn ob CDU, AfD oder NPD, alle stehen für eine Politik der Ausbeutung und Unterdrückung“. Und weiter: „Denn nur gemeinsam können wir eine bundesweite Partei und bundesweit vernetzte Nazis bekämpfen. Ob Ost, ob West – alle zusammen gegen den Faschismus!“.
Die vollständige AABS-Rede kann hier angehört werden.
Lautstark auf der Straße gegen den Rechtsruck
Im Anschluss an die Kundgebung schlossen sich etwa 150 Menschen einer Demonstration an. Diese führte vom Rotebühlplatz durch die Tübingerstrasse zum Marienplatz. Lautstark zog der Demonstrationszug durch die Innenstadt nach Heslach. Mit Parolen wie: „Alle zusammen gegen den Faschismus“, „Ob Ost, ob West, nieder mit der Nazipest“ und „Faşizme karşi omuz omuza! – Schulter an Schulter gegen den Faschismus“ machte der Zug auf sich aufmerksam. Die Reaktionen der PassantInnen waren zustimmend und positiv. Die Demonstration setzte ein sichtbares Zeichen. Nach Ankunft auf dem Marienplatz löste sich die Demonstration auf.
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