Von Lotta Thalmann – Kandel. Der Neonazi Thorsten Alexander U. wurde am 4. Februar vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu 15 Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Zusätzlich erhielt der Verurteilte die Auflage, 1600 Euro an den pfälzischen Verein der Jugendrechtspflege zu überweisen.
Der Verurteilte hatte am 3. März 2018 an einer rechtsnationalistischen Demonstration teilgenommen. Er griff aus dem Demozug heraus die Polizei an, durchbrach die Polizeikette, schlug auf GegendemonstrantInnen auf einem Privatgrundstück ein und verletzte einen Antifaschisten. Der Verletzte erlitt eine Gehirnerschütterung und musste im Krankenhaus behandelt werden.
Er hatte damals Anzeige erstattet, aber die Staatsanwaltschaft hat den Fall übernommen und Strafantrag gestellt, weil es sich um gefährliche Körperverletzung mit einem gefährlichem Gegenstand handelte. Der Schläger trug an der rechten Hand an drei Fingern jeweils einen massiven Ring. Die Ringe wurden als gefährliches Werkzeug gewertet. Es besteht die Einschätzung, das mit einem Schlag schwerste bis lebensgefährliche Verletzungen entstehen könnten. An jenem 3. März 2018 waren 4000 Rechtslastige und Rechtsextreme durch Kandel marschiert. Aufgerufen hatten „Kandel ist überall“, Pegida und AfD. Es folgte ein Mob der schlimmsten Sorte (siehe „Pegida-Umfeld feiert Durchbruch in Kandel„).
Es gab Körper- und Taschenkontrollen
Nun begleiteten acht Menschen solidarisch den jungen Antifaschisten, der vor Gericht als Zeuge aussagte. Der Neonazi war mit seinem Anwalt Manfred Döring und einer Begleitung im Gerichtssaal. Alle TeilnehmerInnen wurden bei Betreten des Gerichts wie immer bei derartigen Prozessen einer Körper- plus Handscanner- und Taschenkontrolle unterzogen. Es herrschte ein Taschen- und Handyverbot.
Zwei Zeugen waren geladen: der Geschädigte und der Polizei-Gruppenführer Oliver K. von der damals eingesetzten Hundertschaft. Er konnte sich allerdings nicht konkret an den Angeklagten erinnern. Fünf Personen seien durchgebrochen. Es sei zu wenig Polizei anwesend gewesen. Er habe selbst blaue Flecken am Knie davon getragen. Die „Demonstranten“ seien wiederholt „zurückgeschoben“ worden.
Angeklagter entschuldigt sich
Der Angeklagte wollte Angaben machen. Er sei Staplerfahrer, aber momentan arbeitslos. Er habe sich schon entschuldigt und wolle sich vor Gericht nochmals entschuldigen. Solch ein Verhalten sei nicht seine normale Art. Er habe die Videos angeschaut und erkenne sich nicht wieder. Er bereue seine Tat sehr. Er verneinte die Frage von Richter Sebastian Zwick, ob er bewusst gehandelt habe. Er trage die Ringe immer.
Er bejahte allerdings, wahllos draufgeschlagen zu haben. Er wisse nicht mehr, was die anderen gerufen hätten. Richter Zwick fragte ihn, welcher Versammlung er angehört habe. Er antwortete: dem Frauenbündnis.
Der Angeklagte hat zahlreiche Tattoos, die jedoch alle stark verdeckt blieben. Der Mann trug ein langärmeliges Oberteil. Die Tattoos, die noch etwas hervor lugten, waren nicht erkennbar.
An der Schläfe getroffen
Der Geschlagene berichtete, wie er sich mit einigen FreundInnen bei einer Familie auf dem Hof in der Rheinstraße hinter der Absperrung aufhielt. Dort stand die kleine Gruppe über eine Stunde. Ständig habe es verbalen Schlagabtausch mit rechten DemoteilnehmerInnen gegeben. Polizei kam hinzu, dann ging es unvermittelt los. Die Kette des Grundstücks wurde weggerissen. Die Polizei war überfordert. Es entwickelte sich schnell eine unübersichtliche Lage. Explosiv und aggressiv sei die Stimmung gewesen. Der Angeklagte drohte wütend mit hoch erhobener Faust mit den Ringen, die als Schlagring wahr genommen wurden.
Es sei dann alles plötzlich sehr schnell gegangen. Der Angeklagte sei ihn brutal angegangen und habe ihn mit den Ringen auf der Schläfe getroffen. Er sei sofort zu Boden gegangen. Ein Polizist habe ihn am Kragen gepackt, hinter die Hoftür gebracht und somit von der Demo abgeschirmt. Da es ihm nicht gut ging, sei er noch vor Ort im Rettungswagen ambulant behandelt worden. Er habe Kopfschmerzen bekommen und mehrmals erbrochen, später große Erinnerungslücken gehabt. Eine Woche lang sei es ihm nicht gut gegangen. Im Mainzer Krankenhaus sei er mit Infusionslösung und Vomex behandelt und länger überwacht worden. Es wurde eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Da er eine Mütze und zwei Kapuzen trug, sei die Wucht des Schlages etwas abgefedert worden, so der Geschlagene.
Auf Nachfrage des Verteidigers antwortete er, er sei erstmals auf einer Demonstration und nach diesem Trauma weder in Kandel noch auf einer anderen gewesen. Der Vorfall habe ihn sehr mitgenommen und geprägt.
Staatsanwalt stuft Fall als minderschwer ein
Richter Zwick ordnete an, die Videozusammenschnitte anzuschauen. Der Angeklagte wurde schnell identifiziert und deutlich erkannt. Oberstaatsanwalt Spielmann betonte das massive Fehlverhalten. Laut Videosichtung sei ein überlegter Akt deutlich erkennbar. Die Verletzung sei glücklicherweise durch die Kleidung abgefedert worden.
Es habe schon Fälle gegeben, in denen der Sturz zu Boden einen Schädelbasisbruch zur Folge hatte. Dass der Geschlagene aus Angst seither an keiner Demonstration mehr teilnahm, bedeute einen Eingriffe in seine demokratischen Rechte und beeinflusse auch andere Menschen. Andererseits liege ein Geständnis vor, und die Entschuldigung sei glaubhaft. Es gebe keine Vorstrafen, und es seien keine weiteren Demonstrationsteilnahmen bekannt. Es handele sich um einen minderschweren Fall. So forderte die Anklage ein Jahr und drei Monate zur Bewährung auf drei Jahre plus 1600 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung.
Verteidiger erkennt nur Körperverletzung
Der Verteidiger Döhring führte an, sein Mandant sei ja nicht mit einem Messer, einer Stichwaffe oder ähnlichem bewaffnet gewesen. Es habe sich nur um einen Schlag gehandelt, und die Ringe hätten keine große Rolle gespielt, zumal sie ja abgefedert wurden. Es seien keine Folgeschäden ersichtlich, und das Opfer habe im Vorfeld schon 1000 Euro Schmerzensgeld erhalten. Der Verteidiger plädierte auf einfache Körperverletzung. Er verwies darauf, dass der Angeklagte keine Vorstrafen hätte.
Richter Zwick folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und dessen Begründungen. Die Verfahrenskosten trägt der Angeklagte. Der Angriff sei ein planvolles Vorgehen gewesen. Vor der Kette hätte der Angeklagte genügend Zeit zum Umdenken gehabt. Entscheidend sei die Faust, mit der in bestimmter Haltung gedroht wurde.
Der Geschlagene war nach der Verhandlung froh, dass es vorbei ist. Noch heute fühle er sich belastet durch die Gewalttat. Der Neonazi sei erst durch einen anonymen Tipp an die Polizei identifiziert worden. Eine Familie, die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattete, hat nach eigenen Angaben nie eine Antwort von den Behörden erhalten. Auf mehrmalige Nachfrage hieß es immer: „Es läuft“.
Folge uns!