Von Sahra Barkini – Stuttgart/Freiburg.
Um die 30 000 SchülerInnen, ArbeitnehmerInnen, Großeltern, Mitglieder von Gewerkschaften, Kirchen und vieler anderer Organisationen beteiligten sich am Freitag, 20. September, in Stuttgart am dritten globalen Klimastreik. In Freiburg waren ebenfalls 30 000 Menschen auf der Straße. Allein in Deutschland fand der Streik an über 500 Orten statt. Bundesweit gingen etwa 1,4 Millionen Menschen auf die Straße.
Was von der 16- jährige Schülerin Greta Thunberg aus Schweden angestoßen wurde, etablierte sich inzwischen zu einer Massenbewegung. Im Vorfeld des Klimastreiks hatten sowohl der „Spiegel“ als auch die Stuttgarter Zeitungen über Sicherheitswarnungen des BKA geschrieben. Bei einem Stuttgarter Automobilkonzern war die Angst vor Blockaden durch KlimaaktivistInnen wohl so groß, dass er seine Sicherheitsmaßnahmen erhöhte. Offenbar betrachtet sich der Konzern selbst als Profiteur der Herstellung klimaschädlicher Autos.
In Stuttgart startete ein Sternmarsch von drei Orten in der Stadt. Am Hölderlinplatz, Kernerplatz und Erwin-Schoettle-Platz versammelten sich die Menschen, um dann durch die Innenstadt zu ziehen. Die drei Züge kamen am Rotebühlplatz wieder zusammen und zogen in einer großen Demonstration zum Schlossplatz.
Schon vor Beginn war der Erwin-Schoettle-Platz gut gefüllt. Dort versammelten sich die Fridays for Future Bewegung, ein antikapitalistischer Block und GegnerInnen des Bahnprojekts Stuttgart 21. Um 12 Uhr setzte sich der buntgemischte Zug, angeführt von den FFF- SchülerInnen, in Bewegung. Vom Erwin-Schoettle-Platz ging es Richtung Marienplatz in die Hauptstätter Straße, Paulinenstraße und Rotebühlstraße.
Machtvoller Sternmarsch durch Stuttgart
Auf dem Weg in die Innenstadt ernteten die DemonstrantInnen viel Zustimmung von PassantInnen und Anwohnerinnen. Es gab aber auch ungläubige oder genervte Blicke, da der Zug kaum enden zu wollen schien und dennoch nur ein Teil des Sternmarschs war. Die DemonstrantInnen machten lautstark auf sich aufmerksam mit Parolen wie „Hoch mit dem Klimaschutz, runter mit der Kohle“, „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Oder auch mit „Banken retten, das geht fix, nur fürs Klima tut ihr nix“, „Streik in der Schule, Streik im Betrieb, das ist unsre Antwort auf eure Politik“.
Auch „A-Anti-Antikapitalista“ schallte es aus dem Demozug. Am Rotebühlplatz kamen die beiden anderen Teile des Sternmarschs dazu. Mit Gruppen von der Seebrücke, Scientists for future, Verdi und vielen anderen zogen die DemonstrantInnen zum Schlossplatz.
Bei der Kundgebung sprachen unter anderem zwei Aktivistinnen von Fridays for future, der zwölfjährige Quentin, der DGB-Landesvorsitzende Martin Kunzmann und Julia von der DGB-Jugend. Für die musikalische Unterhaltung sorgten der Wortakrobat Toba Borke und Pheel, die wie immer ihr Publikum begeisterten, und die Band Slatter Brains.
„Nichts ist wichtiger als das Leben“
Die beiden FFF Aktivistinnen prophezeiten, dass dieser 20. September in die Geschichte eingehen werde. Sie verglichen den Tag mit der Wende 1989 und sagten: „Dieses Mal müssen die Mauern in unseren Köpfen fallen.“ Der zwölfjährige Quentin begeisterte die ZuhörerInnen. Er sagte unter anderem, dass Argumente wie Finanzen und Arbeitsplätze, die von PolitikerInnen häufig angebracht werden, für ihn nicht zählten. Nichts sei wichtiger als das Leben von acht Milliarden Menschen. Und das geht zugrunde, wenn sich das Klima immer weiter erwärmt.
Martin Kunzmann forderte „mehr Investitionen in Bus und Bahn, in eine Energiewende und in eine andere Form der Mobilität“. Dafür erntete er viel Applaus. Während der Kundgebung wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fridays For Future Bewegung keine Parteifahnen auf ihren Demonstrationen wolle. Nicht alle hielten sich daran.
Tür der Deutschen Bank blockiert
Nach der Kundgebung organisierte das Bündnis „Kesselbambule“ fünf Blockaden. Sie hatten das Ziel, den Verkehr in Stuttgart vorübergehend lahmzulegen. Ein „roter Finger“ lief nach der Kundgebung in einer Spontandemonstration zur Theodor-Heuss-Straße, um die dort ansässige Filiale der Deutschen Bank zu blockieren und zu markieren. Türen wurden mit einer Stahlkette versperrt und an den Scheiben Plakate angebracht um die PassantInnen zu informieren. Ein Angestellter der Deutschen Bank schien sehr aufgeregt zu sein. Er lief immer wieder hektisch umher und dokumentierte mit seinem Handy das Geschehen. Die Polizei wurde offenbar von diesem „Dokumentierfieber“ angesteckt. Mehrere PolizistInnen filmten und fotografierten die absolut friedliche Aktion der DemonstrantInnen.
Die Eingangstür wurde mit einem Modell eines Kohlekraftwerkes, Transparenten und von etwa 200 Menschen blockiert. Ein Teil der AktivistInnen blockierte die Straße, was zu einem längeren Stau auf der Theodor-Heuss-Straße führte.
Dies war jedoch nicht die letzte „verkehrsberuhigte Zone“ an diesem Freitagnachmittag. Die Polizei beobachtete die AktivistInnen, beschränkte sich neben ihrer Filmerei aber sonst darauf, den Verkehr zu regeln. Nach etwa 45 Minuten wurde die Blockade beendet. Der „rote Finger“ setzte sich in Bewegung, um die anderen Blockadepunkte zu unterstützen und um zum gemeinsamen Abschluss des Blockade-Bündnisses auf der Paulinenbrücke zu gelangen.
Auch Passanten solidarisierten sich
Alle Blockaden des Tages verliefen friedlich, da sich die Polizei mäßigte. Meist zeigten die AutofahrerInnen Verständnis. Einige dachten aber auch, sie könnten durch langanhaltendes Hupen die Menschen bewegen, von der Straße zu gehen. Ihnen dürfte kaum bewusst gewesen sein, dass Hupen, sofern es nicht auf eine Gefahr hinweist, eine Ordnungswidrigkeit darstellt. An einer Blockadestelle meckerte eine Autofahrerin, dass sie Eis essen gehen wolle und „die da“ weg sollten. Ein vorbeikommender Passant solidarisierte sich dagegen und gesellte sich mit seinen Kindern zu den Blockierenden.
Von Demonstranten war zu erfahren, dass AktivistInnen, wahrscheinlich von Extinction Rebellion (XR), die Scheiben des Einkaufszentrums Gerber von Farbe befreit hätten. Die Hintergründe sind uns nicht bekannt.
Größte Demonstration Freiburgs seit Kriegsende
Die Freiburger Fridays-For-Future-Gruppe meldete ebenfalls 30 000 TeilnehmerInnen – die Polizei geht von mehr als 20 000 DemonstrantInnen aus. Kurz nach halb zehn Uhr setzte sich der Demonstrationszug am Platz der Alten Synagoge in Bewegung. Das Ende dieser kraftvollen Demonstration war erst zwei Stunden später in Sicht. Polizei und Veranstalter verständigten sich auf eine Verkürzung der Demoroute, da die Polizei der Meinung war, dass es „zu viele Menschen“ waren.
Der Kommentar von Paula Bär, der Pressesprecherin von Kesselbambule, in einer Mitteilung des Aktionsbündnisses im Wortlaut:
„Gestern haben wir ein deutliches Signal gegen die Zerstörung der Umwelt durch die Konzerne und die Politik gesetzt. Die nicht ernstzunehmenden Vorschläge des Klimakabinetts sind ein schlechter Witz und bestärken uns in unserem Widerstand. Wir sehen die einzige Lösung der Klimakrise und eine ernsthafte Chance auf eine sozial-ökologische Gesellschaft in der Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse.“
Das Aktionsbündnis Kesselbambule zeigt sich insgesamt sehr zufrieden mit dem Start der Protesttage: „Dass sich so viele Leute spontan an den Blockaden beteiligt haben, ist ein großer Erfolg“, so Bär. „Das zeigt uns, dass die Menschen erkennen, dass widerständiges gemeinsames Handeln jetzt erforderlich ist. Vielmehr haben sie erkannt, dass es notwendig ist, die Rettung des Klimas selbst in die Hand zu nehmen.“
Fridays for Future Stuttgart stellt sich solidarisch hinter den Zivilen Ungehorsam des Aktionsbündnisses Kesselbambule. „Die Herausforderung der Klimakrise ist so groß, dass wir auf allen Ebenen ansetzen müssen, um ihr entgegen zu treten. Dazu gehören diverse Aktionsformen, die das gemeinsame Ziel haben, Klimagerechtigkeit ganz oben auf die Agenda zu bringen.“, so Nisha Toussaint-Teachout, Pressesprecherin von Fridays for Future Stuttgart. Weiterhin kündigt das Aktionsbündnis Kesselbambule Aktionen für die nächsten Tage und Wochen an. Ob auch Daimler, wie schon in diversen Medien vermutet, als Profiteurin der Klimakrise benannt und blockiert werden wird, bleibt abzuwarten.“
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