Von Sahra Barkini – Waiblingen. Auf Einladung des Bündnisses ZgR (Zusammen gegen Rechts Rems-Murr) kamen etwa 50 Interessierte im Waiblinger Bürgerzentrum zusammen. Titel des Vortragsabends mit Diskussion war „Was tun im Betrieb gegen Rechts“. Auf dem Podium nahmen Platz: Miquel José Revilla (Betriebsrat und Vertrauenskörperleiter der IG Metall im Mercedes-Benz-Werk Untertürkheim), André Kaufmann (Sekretär für Bündnisarbeit bei der IG Metall Ludwigsburg/Waiblingen) und der antifaschistische Aktivist Manuel.
Tim Neumann, Bündnissprecher von ZgR, moderierte. Und sagte gleich zu Anfang, dass Betriebe keine Insel der Glückseligkeit seien und der Kampf gegen Rechts auch immer eine wirtschaftliche Seite habe.
In drei Reden wurden Hintergründe und Stoßrichtung rechter Propaganda beleuchtet. Dies wurde anhand der mehrmonatigen Übergriffe auf einen türkischstämmigen Daimlerarbeiter durch zwei rassistische – inzwischen entlassene – Mitarbeiter aufgezeigt. Die Podiumsteilnehmer gingen auch auf die Entstehung der rechtsradikalen Organisation „Zentrum Automobil“ ein. Diese wurde von Oliver Hilburger aus Althütte gegründet. Er war Mitglied in der Rechtsrock Band „Noie Werte“ und ist Betriebsratsmitglied bei Daimler in Untertürkheim.
Christliche Gewerkschaft verharmlost Neonazis
Hilburgers Treiben wurde über viele Jahre verharmlost. Hilburger war sogar vier Jahre als Schöffe tätig und wurde erst 2008 entlassen. Bei Daimler war er vor der Gründung von „Zentrum Automobil“ bei der Christlichen Gewerkschaft aktiv. Seine damalige Gewerkschaft CGM (Christliche Gewerkschaft) warf ihn nicht raus, obwohl bekannt war, dass er in einer Rechtsrock-Band ist. Laut CGM müsse eine Demokratie ein solches Mitglied ertragen, denn die Band hätte „nur etwas seltsame Texte“. Dass davon welche indiziert waren, schien egal zu sein.
Miquel José Revilla zufolge macht „Zentrum Automobil“ keine Gewerkschaftsarbeit. Die Mitglieder meldeten sich in Betriebsratsitzungen nicht zu Wort, verbreiteten nur über das Internet Filme, die vor Hass und Hetze nur so strotzten. „Zentrum Automobil“ tauche nur dann auf, wenn Daimler aufgrund des Rassismus der jeweiligen Person jemanden entlässt. Im Betrieb äußerten sich die „Zentrum“ Betriebsräte nicht öffentlich rechts.
Rechten Rattenfängern die Stirn bieten
Es wurde diskutiert wie man sich verhalten solle. Viele Jahre wurde versucht, das rechte Problem kleinzureden – aus Furcht, die IG Metall könnte durch klare Positionierungen Mitglieder verlieren. Inzwischen sagen Ortsverbände der IGM, dass sie nicht bereit seien, sich vor den rechten Rattenfängern zu ducken. Die Vertrauensleute müssten Präsenz in den Betrieben zeigen und mit Argumenten gegen die populistischen Lösungen angehen, Unwahrheiten nicht stehen lassen, sondern immer gegen sie argumentieren.
Laut Kaufmann helfen auch kämpferische Tarifrunden, Neonazis in den Betrieben „klein zu halten“. Man müsse weg vom Gedanken „der Betriebsrat wird es schon richten, hin zu wir schaffen und machen das zusammen“. Der Betriebsrat müsse transparent arbeiten, dann hätten Neonazis keine Chance.
Laut Manuel ist es wichtig, dass Daimler die Arbeitsplätze der Zukunft erhält, denn wenn dies nicht geschafft werde, würden die Rechten das wieder nutzen, um Stimmung zu machen. In einem waren sich alle einig: „Zentrum Automobil“ ist kein alleiniges Problem bei Daimler. Die Organisation hat auch Betriebsratsmitglieder bei Stihl in Waiblingen. Deshalb gelte überall „klare Kante gegen Rechts“. ArbeitnehmerInnen müssten, egal wo, ein Klima schaffen, in dem Rechtsextremisten und Faschisten den Mund nicht aufmachen.
Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass Widersprechen statt Schweigen wichtig ist. Außerdem eine transparentere Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben. Und auch eine Zusammenarbeit mit außerbetrieblichen Bündnissen und Initiativen sei hilfreich, ebenso wie der Einsatz für eine Gesellschaft ohne rassistische Diskriminierung und Nationalismus.
Auseinandersetzung auf der Straße und im Gerichtssaal erwartet
Vor dem Landesarbeitsgericht in Stuttgart findet am Donnerstag, 5. Dezember, ein Berufungsverfahren statt. Ein ehemaliger Daimler-Beschäftigter klagt gegen seine fristlose Kündigung. Er hatte zuvor zusammen mit einem Kollegen einen türkischen Arbeiter über Monate rassistisch beleidigt. Nach DGB-Angaben versucht die AfD-nahe Gruppierung „Zentrum Automobil“, „die beiden gekündigten Daimler-Beschäftigten als Opfer zu inszenieren und die IG Metall massiv anzugreifen“.
Der DGB Baden-Württemberg ruft für Donnerstag, 5. Dezember, zu einer Kundgebung unter dem Motto „Wer hetzt, der fliegt! Kein Platz für Nazis!“ auf. Die Kundgebung findet um 10 Uhr gegenüber dem Arbeitsgericht auf dem Gustav-Heinemann-Platz (vor dem Gewerkschaftshaus) statt. Unter anderen werden Martin Kunzmann (DGB Landesvorsitzender), Nadine Boguslawski (Geschäftsführerin der IG Metall Stuttgart) und Cuno Brune-Hägele (Geschäftsführer von Verdi Stuttgart) erwartet.
Die Stuttgarter Nachrichten meldeten am 4. Dezember, „eine Privatperson hat – vermutlich im Auftrag der selbst ernannten Gewerkschaft Zentrum Automobil“, eine Demonstration unter dem Titel „Solidarität mit den betroffenen Arbeitern“ direkt vor dem Arbeitsgericht angemeldet.
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