Von Sahra Barkini – Stuttgart. Nachdem der Organisator der Querdenken711-Demonstrationen seinen Rückzug erklärt hatte, versuchte der Landtagsabgeordnete und Ex-Stadtrat Heinrich Fiechtner (früher AfD, inzwischen fraktionslos) in dessen Fußstapfen zu treten. Die Premiere am 23. Mai, dem Tag des Grundgesetzes, fiel dann aber fast sprichwörtlich ins Wasser. Nur etwa 40 KundgebungsteilnehmerInnen, unter ihnen Stefan Räpple („Ex-AfD“*) und Bernd Klingler (BZS23), lauschten Fiechtner auf dem kleinen Schlossplatz. Auf dem Karlsplatz hielt der DGB am selben Tag eine Kundgebung unter dem Motto: „Grundrechte hochhalten, Demokratie stärken“ ab. Diese besuchten circa 100 Menschen, unter ihnen der Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Linken Bernd Riexinger.
*Das Landesschiedsgericht Baden-Württemberg hat am 31. März 2020 in erster Instanz entschieden, Stefan Räpple aus der AfD auszuschließen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Räpple kündigte an, dagegen vorgehen zu wollen.
Unter dem Motto: „Wir stehen auf, für unser Recht! Weg mit den Beschränkungen!“ hatte Fiechtner auf den Stuttgarter Schlossplatz geladen. Etwas verwirrend für seine AnhängerInnen schien zu sein, dass die Kundgebung am Samstag zwar auf dem Schlossplatz angekündigt war, aber auf dem kleinen Schlossplatz stattfand. So standen Punkt 13 Uhr einige Demonstrationswillige irritiert auf dem Schlossplatz, fanden aber dann doch noch den Weg zum Kundgebungs-Lastwagen auf der Rückseite des Kunstmuseums.
Ballweg distanziert sich von Fiechtner
Es blieb dann aber bei einem überschaubaren Grüppchen, das sich dort im Regen versammelte. Im Vorfeld war bekannt geworden, dass sich der Querdenken711-Initiator Michael Ballweg auf seiner Homepage von Fiechtner distanziert. So war zu lesen: „Ich (M. Ballweg) distanziere mich von Herrn Fiechtner und seiner Aussage, dass er meine ‚unmittelbare Nachfolge‘ antreten möchte. Jeder, der verstanden hat, worum es bei unserer Initiative geht, würde eine eigene friedliche Demo anmelden. Ich finde es auch sehr traurig, dass Herr Fiechtner mit seiner Demo am Samstag sowohl den Schlossplatz als auch den Cannstatter Wasen belegt. Er schadet mit seiner Anmeldung der Grundidee, dass sich viele auf dem Cannstatter Wasen versammeln dürfen.“
Seine Rede auf der Auftaktkundgebung begann Fiechtner mit einem Wort aus den Losungen: „Dient dem Herrn Christus, denn wer Unrecht tut, der wird empfangen was er Unrecht getan hat und es gilt kein Ansehen der Person.“ Weiter sagte er „wir stehen auf für unser vom Schöpfer zugesprochene Recht und das lassen wir uns nicht nehmen“. Vielleicht waren diese Eingangsworte Teil der Rede für seine später am Tage vorgesehene Heiligsprechung (siehe auch Öffentliches Rosenkranzgebet für die Heiligsprechung von Dr. Heinrich Fiechtner). Diese fiel dann allerdings aus. Der Grund ist der Redaktion nicht bekannt.
Fiechtner will Palmer als Redner
Nach weiteren Worten des Demo-Anmelders – auch über die seiner Meinung nach unsinnige Vorschrift, einen Mundschutz zu nutzen, er bezeichnete ihn als „Kretschmann-Lomba, den Gesslerhut der heutigen Zeit“ – setzte sich irgendwann der Demonstrationszug in Bewegung. Zuvor wurden noch als Dank Blumen an die PolizistInnen verschenkt. Die diese entgegen nahmen.
Mit Räpple und Fiechtner voraus zog der Demonstrationszug vom kleinen Schlossplatz über den Rotebühlplatz zum Stöckach, dann durch den Stuttgarter Osten Richtung Wasen. Dort gesellten sich dann noch etwa 100 weitere DemonstrantInnen dazu. Auf der Abschlusskundgebung sprach Christina Baum (AfD). Fiechtner kündigte an, diese Demonstrationen nun wöchentlich durchführen zu wollen. Er hoffe, dies Partei übergreifend tun zu können. So würde er gerne den Tübinger Grünen-OB Boris Palmer und Sahra Wagenknecht (Die Linke) sprechen lassen.
Warnung vor rechter Propaganda
Die Kundgebung des deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf dem Karlsplatz hatte das Motto „Grundrechte hochhalten, Demokratie stärken“. Zugelassen waren dort maximal 200 Menschen. Gekommen waren etwa die Hälfte. Die einzuhaltenden Abstände waren mit Markierungen auf dem Boden gekennzeichnet. Der Moderator der Kundgebung empfahl den TeilnehmerInnen, sich mit „ihrem Punkt“ anzufreunden. Obwohl es keine Auflage war, wurde überwiegend Mundschutz getragen. Es gab zwei RednerInnen: Filippina Manou vom Stadtjugendring Stuttgart und Martin Kunzmann vom DGB für die Musik sorgte Mike Janipka.
Der Hauptredner Kunzmann sagte mit Blick auf die Fiechtner Demo: „Diejenigen, die die Rechten durch ihre Demonstrationsteilnahme stärken, sind die Steigbügelhalter für die Feinde der Demokratie“. Weiter erklärte er, der DGB distanziere sich von der Propaganda, die unter anderem auch auf den Wasendemos zu hören war, dass die VolksvertreterInnen nur Marionetten von imperialen Kräften seien und es keine seriöse und unabhängige Medienberichterstattung mehr gebe.
Nur Solidarität hilft durch die Krise
Der DGB warnt davor Bewegungen wie Widerstand2020 durch Teilnahme an den Demonstrationen zu unterstützen. Außerdem ist der deutsche Gewerkschaftsbund überzeugt, dass diese Krise nur solidarisch gut gemeistert werden kann. „Es reicht nicht, wenn Solidarität lediglich ein geflügeltes Wort in der Corona-Pandemie ist. Sie muss auch gelebt werden und die Menschen in ihrem Alltag erreichen“, forderte Kunzmann.
Die wirtschaftlichen Folgen von Corona träfen Menschen mit geringen Einkommen, Alleinerziehende und viele Familien, RentnerInnen, Hartz-IV-EmpfängerInnen, Arbeitssuchende, Auszubildende und Studierende, Soloselbstständige, Beschäftigte in Leiharbeit und mit Werkverträgen besonders hart. „Der Staat darf bei seinen Hilfsprogrammen nicht nur die Wirtschaft berücksichtigen. Er muss die Interessen der Beschäftigten gleichwertig wie die der Betriebe in den Blick nehmen“, betonte Kunzmann.
Weitere Bilder/Video von der DGB-Kundgebung
Weitere Bilder/Video von „Fiechtners Kampf“
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