Von Alfred Denzinger – Bietigheim-Bissingen/Schwäbisch Gmünd. Zunächst dachte ich, das AfD-Trauerspiel, von der AfD liebevoll als Sommertour betitelt, am 14. August auf dem Gmünder Johannisplatz sei an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Aber in Bietigheim-Bissingen wurde ich am Mittwoch, 26. August, eines Besseren belehrt. Standen in Schwäbisch Gmünd noch rund 35 AfD-Mitglieder und -Sympathisanten hinter Gittern und lauschten den endlos wirkenden Reden ihrer Parteigrößen, so war es in Bietigheim auf dem Kronenplatz anfangs gerade mal eine 7 (sieben) Köpfe zählende, tapfere AfD-Fantruppe. Die Redebeiträge waren in beiden Städten für Außenstehende kaum bis überhaupt nicht wahrnehmbar, da der lautstarke Protest der AfD-GegnerInnen die langatmigen Redner weit übertönte.
In Schwäbisch Gmünd protestierten rund 100 Nazi-GegnerInnen rund um die versammelten, hinter Gitter stehenden AfDler. In Bietigheim marschierten 50 AntifaschistInnen in einem Demonstrationszug vom Bahnhof zum Kronenplatz. Dort wuchs die Teilnehmerzahl auf 70 Personen an.
Die beiden Zugänge zum Kundgebungsplatz auf dem Kronenplatz waren fast die ganze Zeit von AfD-GegnerInnen blockiert. Ein Durchkommen war nur schwer möglich. Auch der verspätet eingetroffene AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen kam zunächst nicht durch die Blockade. Die Polizei ermöglichte ihm schließlich den Zugang über den Hintereingang. Die Bietigheimer Bevölkerung zeigte insgesamt kein Interesse an den Botschaften der AfD.
AfD-Anhänger auf Krawall gebürstet?
Die AfD-Fanblase wuchs in Bietigheim nach dem Ende des rechten Spektakels auf stattliche 13 TeilnehmerInnen an. Die teilweise sichtlich angenervten Anhänger der rechtsradikalen, in Teilen rechtsextremistischen Partei verließen mit strenger Mine den Ort des Geschehens.
Ein älterer Herr suchte offenbar die Konfrontation mit den AfD-GegnerInnen, indem er mitten durch den Protest marschierte und sich mit geschwollener Brust den jungen AntifaschistInnen entgegenstellte. Als aus dem Hintergrund des Protestes die Parole „Nazis verpisst euch, keiner vermisst euch“ ertönte, bestand der Mann bei der Polizei auf eine Strafanzeige, da er sich „nicht als Nazi bezeichnen“ lasse. Er beschwerte sich bei der Polizei auch darüber, von mir fotografiert worden zu sein. Wahrlich ein schweres Vergehen meinerseits, weshalb mich auch sofort ein eifriger Polizeibeamter mit den Vorwürfen des „Kein-Nazi-sein-Wollers“ konfrontierte. Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen dem Beamten und meiner Wenigkeit war der Polizist mit den Worten „alles gut“ von meinem rechtmäßigen Handeln überzeugt.
Das mit der Pressefreiheit gefällt nicht jedem
Auch die an mich gerichteten Worte des augenscheinlichen „Bodyguards“ der AfD-Politiker konnten mich nicht von meinem journalistischen Schaffensdrang abhalten. Wollte er doch, dass ich den Platz verlasse. Eine Forderung, die mich ein wenig mehr als schmunzeln ließ. Immer wieder sehr lustig, derartige Situationen. Nun ja, er wird es schon noch lernen, das mit der Pressefreiheit.
„Die AfD steht für Hass und Gewalt“
Das antifaschistische Bündnis in Schwäbisch Gmünd führte aus, „die AfD steht nicht für Sicherheit, sie steht für Hass und Gewalt. Es sind ihre Anhänger, die Flüchtlingsheime anzünden oder in Chemnitz anders Aussehende jagen. Es ist ihr Wortgebrauch, der Hass und Hetze salonfähig macht. Und es ist eben die AfD, die solche Vorfälle konsequent verharmlost“. Alexander Relea-Linder (Die Linke), Mitglied im Gmünder Gemeinderat, erklärte gegenüber den BN: „Wir stehen für ein buntes Gmünd. Es ist ein tolles Zeichen, dass sich spontan so viele Leute zum Protest gegen die AfD versammelt haben. Wir kämpfen auch dafür, dass die AfD aus dem Landtag fliegt.“
Ein Redner der Linksjugend resümierte in Bietigheim: „Kein Fußbreit dem Faschismus, das machen wir heute klar. Die AfD darf niemals ungestört ihre Hetze propagieren, kämpfen wir daher gegen die AfD. Schaffen wir den Kapitalismus und seine Zwänge ab und befreien wir unsere Gesellschaft vom Rassismus.“
Die AfD hatte ursprünglich Ludwigsburg als Standort für ihre „Infostand“ am 26. August gewählt. Aus antifaschistischen Kreisen war zu erfahren, dass die rechtsradikale Partei den Standort aus Angst vor dem sich abzeichnenden starkem Protest in Ludwigsburg kurzfristig nach Bietigheim verlegt habe.
Kleinere Rangeleien und Androhung von Pfeffersprayeinsatz
Die Polizei meldete, ein Beamter sei „von einem Teilnehmer der Versammlung der Linksjugend verbal bedroht“ worden. Ein weiterer Polizist soll im Rahmen von Zugangskontrollen von einem 19 Jahre alten Tatverdächtigen, der ebenfalls Teilnehmer der Versammlung war, geschlagen und leicht verletzt worden sein. Der 19-Jährige wurde daraufhin vorläufig festgenommen und sei nach Durchführung der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Weiter heißt es im Polizeibericht: „Darüber hinaus bilanzierte die Polizei im Zusammenhang mit den dann insgesamt friedlich verlaufenden Veranstaltungen zwei Verstöße gegen das Versammlungsgesetz sowie zwei Anzeigen wegen Beleidigung.“ Eine Antifaschistin berichtete den BN, sie sei zusammen mit anderen Protestierenden von der Polizei mit Pfefferspray bedroht worden.
Sind alle vor dem Gesetz gleich?
In einem Gespräch mit der Polizeibehörde in Bietigheim wurde gegenüber der BN erklärt, die AfD habe keine Kundgebung nach dem Versammlungsgesetz angemeldet. Es liege lediglich eine Anmeldung für einen Infostand vor. Die Veranstaltung sei aber nun doch eher eine Kundgebung. Ob das für die Partei rechtliche Folgen hat, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist ein derartiger Auftritt kein Infostand, sondern zweifelsfrei eine politische Kundgebung. Es dürfte sich daher um einen klaren Verstoß gegen das Versammlungsgesetz handeln. Ähnliche Situationen führten in der Vergangenheit bei Protesten der S21-GegnerInnen in Stuttgart zu hohen Geldstrafen. Man darf gespannt sein.
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