Von unseren ReporterInnen – Pforzheim. Zum Jahrestag der Bombardierung Pforzheims veranstalteten Neonazis am Mittwoch, 23. Februar, erneut eine sogenannte Fackelmahnwache, an der sich 40 Rechtsradikale und/oder Rechtsextremisten beteiligten. AntifaschistInnen riefen zum Protest auf. An ihm beteiligten sich etwa 600 Menschen. Bei einer Kundgebung an der Alten Synagoge nahmen 250 Menschen teil. Die Polizei setzte exzessiv Pfefferspray ein. Auch kam es zum Schlagstock-Einsatz gegen die AntifaschistInnen. Die Demosanitäter – Sanitätsgruppe Süd-West behandelte 67 Verletzte. In einem Polizeikessel befand sich ein Großteil der AntifaschistInnen. Sie alle müssen nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung nun mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruchs rechnen.
Die Proteste gegen die rechte Fackelmahnwache begannen auf dem Bahnhofsvorplatz mit einer Kundgebung. Im Anschluss zogen die AntifaschistInnen zur Neonazikundgebung. Die Nazi-GegnerInnen wurden nicht wie in den Vorjahren bereits am Hotel Hasenmayer gestoppt. Dies entpuppte sich als Falle. Als der Zug an den Hamburger Gittern auf dem Wartberg angekommen war, setzte die Polizei massiv Pfefferspray und Gewalt gegen die AntifaschistInnen ein. Als sie sich entschlossen umzukehren, wurden sie eingekesselt. An drei Seiten waren bereits Hamburger Gitter. Nun machten die BeamtInnen die letzte offene Stelle dicht.
Herbeifantasierter Notstand oder gar dreiste Lüge?
Dies wurde mit einer Notstandsmaßnahme nach §80 Absatz 3. Satz 2. der Verwaltungsgerichtordnung begründet (siehe Video unten). Sie besagt: „Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.“
Wie unsere JournalistInnen vor Ort berichteten, setzte die Gefahr für Leben und Gesundheit allerdings erst ein, als die AktivistInnen – mitten in einer Pandemie eng eingekesselt – von der Polizei mit Pfefferspray, Schlägen und Tritten traktiert wurden. Die Eingekesselten wurden alle erkennungsdienstlich behandelt und durchsucht. Sie bekommen eine Anzeige mit dem Tatvorwurf Landfriedensbruch. Per Lautsprecherdurchsage wurde den Umstehenden um den Kessel ein mündlicher Platzverweis erteilt. Daraufhin sind auch vereinzelt Personen gegangen. Die überwiegende Mehrheit zeigte sich allerdings solidarisch und blieb, bis alle Eingekesselten „abgearbeitet“ waren.
Mindestens 67 verletzte AntifaschistInnen
Die Demosanitäter – Sanitätsgruppe Süd-West behandelte 67 PatientInnen. Von ihnen waren 45 NazigegnerInnen durch Pfefferspray verletzt, 11 hatten chirurgische Verletzungen und 11 psychische. Die Dunkelziffer ist dabei nicht eingerechnet. Unterstützt wurde die Polizei auch dieses Jahr wieder vom Technischen Hilfswerk THW. Auch waren ein Hubschrauber, eine Drohne und die Hundestaffel im Einsatz. Ein Wasserwerfer stand bereit.
Nachdem die ED-Behandlung (Erkennungsdienstliche Behandlung) abgeschlossen war, setzten sich die AntifaschistInnen in einer Spontandemonstration in Bewegung und liefen gemeinsam zum Bahnhof (siehe Video).
Pressefeindliche Polizeipraktiken
Die Polizei kontrollierte nach eigenen Angaben die Presseausweise von allen anwesenden JournalistInnen und nahm deren persönlichen Daten schriftlich auf. Auf Nachfrage unseres Chefredakteurs nach der rechtlichen Grundlage dieser Registrierungspraxis erhielt er zur Antwort: „Ich bin doch kein Erklärbär. Ich kenne die rechtliche Grundlage nicht. Ich bin hier auf Anweisung tätig“. Es gibt nun zwei Möglichkeiten, die allerdings beide mit der Pressefreiheit nicht zu vereinbaren sind. Entweder handelt es sich um eine rechtswidrige Polizeipraxis, oder es gibt eine Rechtsgrundlage, die der Polizei erlaubt, JournalistInnen die ihrer Arbeit nachgehen zu registrieren. Beide Varianten sind skandalös und haben in einer Demokratie keinen Platz.
Sowohl der SWR als auch die Stuttgarter Nachrichten scheinen nur die Pressemitteilung der Polizei abgeschrieben zu haben. Ihnen waren die 67 verletzten AntifaschistInnen keine Zeile wert. Aus diesen Medien erfuhr man nur von einem verletzten Beamten.
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