Heidelberg. Der DGB, die GEW, Verdi und IG Metall Heidelberg fordern Freispruch für den Heidelberger Antifaschisten Michael Csaszkóczy. Sein Berufungsprozess soll am Mittwoch, 10. Februar, ab 8.30 Uhr, vor dem Heidelberger Landgericht in der Kurfürsten-Anlage 15 beginnen. Der Realschullehrer wurde im September 2018 in einem aus Sicht der Gewerkschaften „haarsträubenden Prozess“ wegen Hausfriedensbruchs zu 20 Tagessätzen – insgesamt 1600 Euro – Geldstrafe verurteilt, weil er im Mai 2017 an einer öffentlich beworbenen AfD-Versammlung im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei Heidelberg als Beobachter teilnehmen wollte. Die Unterzeichner der Gewerkschaftserklärung fordern auch, die Überwachung Csaszkóczys durch den Verfassungsschutz einzustellen, und warnen vor einem erneuten Berufsverbotsverfahren gegen den engagierten Lehrer.
Das Gericht habe Csaszkóczy das in der Verfassung verbriefte Recht der Versammlungsfreiheit abgesprochen, kritisieren die Gewerkschaften in einer gemeinsamen Erklärung. Er sei „Rädelsführer der Heidelberger Linken“ und gelte damit durch bloße Anwesenheit als „Störer“, so das Gericht. Daher habe er „Hausfriedensbruch“ begangen und den Schutz des Artikel 8 Grundgesetz verwirkt.
„Die Unabhängigkeit der Jurisdiktion ist ein hohes Gut in der Gewaltenteilung. Diese Unabhängigkeit unterstellen wir auch der kurzfristig bestellten Richterin“, so die Gewerkschaften. Sie monieren allerdings deren Bestellung. Sie sei „mit dem für seine rassistische Tiraden bekannt gewordenen AfD-Bundestagsabgeordneten Glaser verwandt“. Obwohl der „gesetzliche Richter“ gemäß Rechtsstaatsprinzip vor einem Prozess feststehen müsse und familiäre Beziehungen laut Strafprozessordnung schon beim Anschein einer Befangenheit anzuzeigen seien, wurde eine eingereichte Besetzungsrüge abgelehnt, heißt es weiter. Das Gericht habe auch eine von der Verteidigung als Zeugin benannte Stadträtin der Bunten Linken nicht zugelassen – mit der „grotesken Begründung“, durch die Anhörung von AfD- und Polizeizeugen sei der „Sachverhalt ausreichend aufgeklärt“.
Auch die äußeren Begleitumstände der sechsstündigen Verhandlung seien bizarr gewesen: „Abtasten aller Besuchererinnen und Besucher, Abgabe der Handys, Ausweisvorlage, Kontrollen und Durchleuchten der Taschen.“ Wie bei einem Prozess gegen Schwerverbrecher seien im und um den Gerichtssaal zwölf Polizisten postiert gewesen. Eine juristische Begründung dieser „Sicherheitsvorkehrungen“ sei erst nach Protest ausgehängt worden.
Für die anstehende Berufungsverhandlung gelte „eine ähnlich befremdliche sitzungspolizeiliche Verfügung“: Besucher müssten sich von der Polizei körperlich durchsuchen lassen und für die Dauer der Verhandlung ihre Ausweise abgeben. Die Anwesenheit von Justizwachtmeistern und Einsatzkräften im Gerichtssaal sei ebenfalls angeordnet. „Öffentlichkeit ist damit, verbunden mit coronabedingten Einschränkungen, nur bedingt gewährleistet“, monieren die Gewerkschaften.
Die AfD sei der parlamentarische Arm der extremen Rechten. Sie habe Anfang 2019 im Landtag beantragt, ein erneutes Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy zu verhängen. „Dass Nazis in diesem Land wieder den Hitlergruß zeigen und morden können“, sei unerträglich, sich dem entschlossen entgegenzustellen hingegen „Pflicht aller demokratischen Menschen und Organisationen“.
„Der DGB Heidelberg und die Einzelgewerkschaften kennen Michael Csaszkóczy als einen seit Jahren antifaschistisch engagierten GEW-Kollegen. Gegen sein 2003 verhängtes, vom Verwaltungsgerichtshof als grundrechtswidrig aufgehobenes Berufsverbot als Lehrer und seine bis heute andauernde Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz haben wir öffentlich Stellung bezogen“, betonen die Unterzeichner der Erklärung. In einem ähnlichen Fall habe das Bundesverwaltungsgericht am 14. Dezember 2020 nach 15 Prozessjahren die 38 Jahre dauernde Beobachtung des Bürgerrechtlers und Rechtsanwalts Rolf Gössner für rechtswidrig erklärt. Die Gewerkschaften:
„Wir halten es für einen unglaublichen Vorgang, dass Gerichte von der AfD instrumentalisiert werden können. Umso solidarischer stehen wir hinter unserem Gewerkschaftskollegen, der sich seit vielen Jahren für Demokratie und gegen die Rechtsentwicklung in Gesellschaft und Staat engagiert.“ Die Unterzeichner der Erklärung hoffen auf ein „faires, rechtsstaatliches Verfahren“ für Michael Csaszkóczy und fordern die Landesregierung „vorsorglich auf, keine erneuten disziplinarrechtlichen Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.“
Siehe auch
Eklat bei AfD-Veranstaltung in Heidelberg
AfD-Versammlung hat ein Nachspiel
Hausfriedensbruch als Zuschauer bei öffentlicher AfD-Versammlung?
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