Von Sahra Barkini – Stuttgart. Etwa 60 Menschen versammelten sich am Samstag, 27. Februar, zu einer antimilitaristischen Kundgebung auf dem Stuttgarter Rotebühlplatz. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „KSK abschaffen“. Dazu aufgerufen hatten unter anderem das OTKM (Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung), der Stuttgarter Kreisverband der Linken und die Informationsstelle Militarisierung IMI.
Die Kundgebung befasste sich mit etlichen Skandalen der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK. Sie macht seit ihrer Gründung vor 20 Jahren mit regelmäßigen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Im vergangenen Jahr wurden eine Kompanie aufgelöst, um die Einheit zu reformieren, und die Operation „Eiserner Besen“ ausgerufen. Dafür ließ der für diese „Reform“ zuständige General Markus Kreitmayr bereits im Frühjahr 2020 sogenannte Amnestieboxen in der Kaserne des KSK aufstellen. Soldaten konnten dort gestohlene Waffen und Munition straffrei abgeben.
Dabei kam mehr zusammen als vermisst wurde. Am Ende waren es 50 000 Schuss Munition und diverse Handgranaten. Doch dies war bei weitem nicht da erste Mal, dass das KSK für Schlagzeilen sorgte. Seit der Gründung gab es regelmäßig Skandale wegen faschistischer Soldaten, Todeslisten von politischen Feinden und abgezweigter Munition und Sprengstoff. Ebenso das militärisch-faschistische Netzwerk um den KSK Soldaten „Hannibal“.
Skandale immer wieder klein geredet
Zwanzig Jahre lang hat die Regierung versucht, die Skandale kleinzureden und als Einzelfälle abzutun. Ein paar dieser sogenannten Einzelfälle zählte der Redner der IMI auf. So bedrohte der Reichsbürger D. K. einen Kameraden den er als vermeintlich links identifizierte, mit folgenden Worten: „Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen.“ Schon damals scheint es rechte Netzwerke mit Terrorplänen gegeben zu haben, so der Redner, denn besagter Soldat schrieb weiter: „Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht.“ Für K. hatte dies außer einer Ermahnung keine Konsequenzen. Im Gegenteil – er stieg auf, bis der MAD 12 Jahre nach dieser sehr eindeutigen Mail erkannte, dass er ein Nazi ist.
Ein weiteres Beispiel: Bei der zweiten Einsatzkompanie wurde Rechtsrock gehört und der Hitlergruß gezeigt – das alles bei einer internen Feier für den scheidenden Chef Pascal Dürwald. Dies ist aber fast harmlos im Vergleich, so der Redner der IMI. Denn 2018 wurde das Hannibal-Netzwerk aufgedeckt. Es umfasste illegale Waffendepots, Todeslisten, Mordpläne für den Tag X und den Aufbau paramilitärischer Einheiten. Angeführt und Trainiert wurde es von KSK-Soldaten. Und im Mai 2020 wurde im Garten eines KSK Soldaten ein Waffendepot mit 2 Kilogramm Sprengstoff, einer AK-47 und tausenden Schuss Munition aus Bundeswehrbeständen gefunden. Außerdem einschlägige Naziliteratur. Auch dieser Soldat hatte Kontakte zum Hannibal-Netzwerk.
Keine Rede von Transparenz
Nachdem er die „Einzelfälle“ aufgezählt hatte, sagte der Redner: „Von Einzelfällen kann hier nicht mehr die Rede sein. Rechte Netzwerke durchziehen das KSK in Gänze und zwar schon von Anfang an. Man muss bedenken, dass bei dieser intransparenten und geheim agierenden Einheit wahrscheinlich nur die Spitze des braunen Eisbergs sichtbar ist. Wer weiß, was alles noch unter den Teppich gekehrt wurde. Das reale Ausmaß der Munitionsdiebstähle beim KSK sowie die jetzt bekannt gewordene Amnestie für Munition und Waffen jedenfalls wurden auch erst mal mit dem „Eisernen Besen“ unter den Teppich gekehrt. Wir verdanken es nicht dieser Regierung, ihren Geheimdiensten oder der Polizei, dass wir jetzt darüber Bescheid wissen, sondern investigativen JournalistInnen. Transparenz sieht anders aus.“
Weiter berichtete er von einem Vorfall, der ihn persönlich betraf: „Ich recherchiere seit Jahren zu den rechten Umtrieben beim KSK und anderen staatlichen Stellen. Das passt offensichtlich nicht jedem. Auch bei mir wurde am 2. Juli letztes Jahr mit einem Großaufgebot der Polizei eine Razzia durchgeführt. Als Begründung wurde vorgeschoben, ich sei an einer Auseinandersetzung mit Nazis am Rande einer Querdenken-Demo in Stuttgart beteiligt gewesen. Das Absurde daran: Ich war zum vermeintlichen Tatzeitpunkt nicht in Stuttgart, sondern auf einer Antifa-Demo in einer ganz anderen Stadt und wurde dabei sogar von der Polizei abgefilmt“ (siehe „Bewohner protestieren gegen Willkür-Razzia„. Zum Abschluss seiner Rede sagte er: „Diese Einheit ist außer Kontrolle geraten. Diese Einheit ist nicht reformierbar. Das KSK muss ersatzlos und in Gänze aufgelöst werden!“
Recherchen sind offenbar ein Dorn im Auge
Eine weitere Rednerin war Ursel Beck von der Linken. Sie zitierte aus einem Programentwurf ihrer Partei für die Bundestagswahl, in dem es heißt: „Wir wollen die Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte KSK auflösen. Der Skandal um die rechten Netzwerke dort zeigt, welche Gefahr für die Demokratie selbst aus der Ausrichtung der Bundeswehr auf Kriegseinsätze erwächst.“ Und weiter sagte Beck: „Unser Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und den anderen Parteien ein Dorn im Auge, gerade auch dem baden württembergischen Innenminister Thomas Strobl. Ein Mitarbeiter von Tobias Pflüger, der zum Thema Rechtsextremismus und dem Kommando Spezialkräfte in Calw recherchiert, wurde im Juli mit einem fingierten Vorwurf bei einer Hausdurchsuchung festgenommen, DNA-Proben und Fingerabdrücke genommen sowie dienstliche Unterlagen, Handy, Datenträger und technische Ausrüstung beschlagnahmt.“ Selbst als die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Vorwürfe für die Festnahme nicht aufrechterhalten konnte, wurde noch eine Woche weiterermittelt. Erst zwölf Tage nach der Festnahme wurden die Ermittlungen eingestellt, und noch länger dauerte es, bis die beschlagnahmten Gegenstände zurückgegeben wurden. Beck fuhr fort: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass es einzig und allein darum ging, die Quellen für die Recherchen zur KSK ausfindig zu machen.“
In einem Veranstaltungsflyer des OTKM ist zu lesen: „(..) Doch anstatt konsequent Faschisten zu entfernen, stellt der für die Reform zuständige General Amnestieboxen auf. Das heißt, Elitesoldaten klauen Jahre lang Waffen und Munition, teilweise mit konkreten Umsturz oder Mordplänen gegen PolitikerInnen, AntifaschistInnen und MigrantInnen. Im Anschluss werden sie dann freundlich gebeten, die Waffen straffrei zurückzugeben. Mit dem „eisernen Besen“ wurde also wieder versucht, das Problem unter den Teppich zu kehren. Das KSK ist nicht reformierbar!“ Die Rednerin des OTKM betonte außerdem: „Wir müssen uns bewusst sein, dass der Staat kein wirkliches Interesse daran hat, diese faschistischen Kräfte und verschwundenen Waffenskandale aufzudecken und aufzuklären oder in der Zukunft zu verhindern.“
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