Von Sahra Barkini – Stuttgart. Etwa 250 Menschen protestierten am Freitag, 18. September, gegen eine Veranstaltung der AfD im Stuttgarter Rathaus, zu der auch Alice Weidel und Markus Frohnmaier eingeladen waren. Die Proteste vor dem Rathaus hatte das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ (SgR) organisiert. Einige AntifaschistInnen gelangten ins Rathaus und verschlossen die Saaltüre mit einer Sitzblockade knapp 45 Minuten lang.
Auf Nachfrage der Beobachter News erklärte der Pressesprecher der Stuttgarter Polizei Stefan Keilbach, dass acht Personen die Tür zum Sitzungssaal blockiert hätten. Die Blockade wurde geräumt. Die Polizei stellte die Personalien der Beteiligten fest und führte sie aus dem Rathaus. TeilnehmerInnen der Kundgebung gegen die AfD zogen unterdessen in Spontandemonstrationen durch die Innenstadt, und es gab Blockadeversuche rund um das Rathaus. Bei der AfD-Veranstaltung waren keine JournalistInnen zugelassen.
Knapp eine Woche nach den vorausgegangenen Protesten gegen die „Alternative für Deutschland“ (siehe Kein Dialog mit Rechtspopulisten) hatte das Stuttgarter Bündnis erneut zu einer Kundgebung aufgerufen. Dieses Mal lud die AfD zu einer Saalveranstalltung im Rathaus ein. Da momentan der Marktplatz saniert wird, war der Platz vor dem Rathaus mit einem Bauzaun abgesichert und die Proteste wurden in die Münzstraße verlegt. Von dort hatten die Protestierenden dennoch einen Blick auf den Veranstaltungsort, somit war ein Protest in Sicht- und Hörweite möglich.
Rathaus vorzeitig geschlossen
Das Rathaus war wegen der Veranstaltung der in Teilen rechtsextremen Partei bereits am Nachmittag vorzeitig geschlossen worden. Sitzungssäle und Besprechungsräume wurden den gesamten Nachmittag gesperrt. Eigentlich dürften laut städtischer Corona-Regeln momentan keine öffentlichen Veranstaltungen stattfinden. Es sind nur interne Sitzungen mit Auflagen vorgesehen (siehe Mitteilung der Stadt Stuttgart). Allerdings bewarb die AfD diese Veranstaltung zeitweise öffentlich.
Auf der Bündnis-Kundgebung sprachen Janka Kluge, VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen), VertreterInnen von SgR (Stuttgart gegen Rechts), Claudia Häußler (Verdi, Gesamtpersonalrätin der Stadt Stuttgart) und VertreterInnen des AABS (Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region).
Keine Partei der kleinen Leute
Häußler empfand es als beschämend, dass das Stuttgarter Rathaus, das eigentlich für kommunale Demokratie und ein offenes Gemeinwesen stehe, Leuten mit menschenverachtender Grundhaltung eine Bühne biete, auf der sie dann hassgetränkte Haltungen von sich geben können. Sie sagte: „Die AfD tut so, als ginge es ihr um die kleinen Leute. Mitnichten! An realen, materiellen Verbesserungen von Beschäftigten hat die Partei kein Interesse – im Gegenteil!“
Die neoliberale Strömung, wie sie Alice Weidel vertritt, gehe hier Hand in Hand mit der faschistischen. Statt auf Verbesserungen und konkrete Lösungen setze die AfD auf Ressentiments und Rassismus, spiele mit den Abstiegsängsten der Menschen. Häußler sagte weiter, jeder Anlass sei der AfD recht, zu spalten, zu hetzen und Fake News zu verbreiten. Gute Lösungen würden da nur stören.
Kein Raum für rechte Hetze
Solidarität und Menschlichkeit seien alles andere als selbstverständlich. Man müsse gemeinsam dafür kämpfen, bunt, vielfältig und nachhaltig. Ihre Rede schloss sie mit den Worten: „Dazu gehört auch der AfD immer wieder laut und deutlich zu sagen: Nein, ihr seid nicht willkommen! Nicht im Stuttgarter Rathaus und auch nicht anderswo.“
Die RednerInnen des Bündnisses SgR betonten, es werde keine AfD-Veranstaltung in Stuttgart ohne Widerstand geben. Denn die in teilen neoliberale und marktradikale, aber auch völkische und nationalistische bis offen faschistische Partei sei brandgefährlich und vieles, nur keine Alternative für Lohnabhängige. Die Devise müsse heißen: „Keinen Raum den rechten Hetzern.“
Keine glaubwürdige Abgrenzung
Janka Kluge sagte, die Veranstaltung mit dem Thema: „Politik in Zeiten von Corona“ sei ein Versuch, die Mitte der Gesellschaft anzusprechen. Die AfD habe Angst, dass sich durch die „Coronademos“ eine neue Bewegung formiert. Diese Menschen wolle sie erreichen. In ihrer Rede ging Kluge auch auf die Querdenken711 Demonstrationen ein. Deren Gründer Michael Ballweg distanziere sich zwar immer wieder von Rechts, halte aber gleichzeitig an seinem Pressesprecher Stephan Bergmann fest, der aus dem Reichsbürger-Umfeld stamme, und habe sich außerdem mehrmals mit dem Holocaustleugner Nicolas Nerling getroffen.
Bergmann stamme aus Althütte. Bei den Querdenken-Demonstrationen in Stuttgart seien Nazis aus Althütte als Ordner eingesetzt worden. Auch zitierte Ballweg den durch die Q-Anon Bewegung (verbreiten Verschwörungstheorien mit rechtsextremen und antisemitischen Hintergrund) bekannten Slogan „Where we go one, we go all“. Von Ballweg eine Distanzierung zu fordern, sei sinnlos. Wichtig sei es aber, seinen Oberbürgermeister-Wahlkampf in Stuttgart kritisch zu begleiten, so Kluge.
Spontan durch die Innenstadt
Das Antifaschistische Aktionsbündnis (AABS) verzichtete auf seine Rede und verwies stattdessen auf den Redetext auf der Homepage. Denn, so sagten die VertreterInnen: Es gäbe viel zu reden, aber nun sei auch Zeit zum Handeln. Man müsse der AfD deutlich machen, dass sie in dieser Stadt nicht willkommen ist.
Die KundgebungsteilnehmerInnen zogen in einer Spontandemonstration lautstark durch die Innenstadt. Auf der Rathaus-Rückseite wurden zeitweise etwa 20 Personen von der Polizei eingekesselt. Es gab Blockadeversuch der AntifaschistInnen und Schlagstockeinsatz der Polizei. Im Anschluss an die Spontandemonstration versammelten sich die GegendemonstrantInnen noch einmal vor dem Rathaus und brachten mit Parolen ihren Unmut über die Veranstaltung zum Ausdruck. Dafür gab es immer wieder Zustimmung von PassantInnen.
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